Eine Mitzwa wird mit einer weiteren Mitzwa belohnt
Die Chanihim und Chanichot verstehen anhand einer Geschichte was eine Mitzwa ist und wie diese erbracht werden kann
"Ben Asaj sagt: Einer leichten und einer schweren Mitzwa (Gebot) sollst du nachlaufen, vor einer Sünde sollst du weglaufen. Denn eine Mitzwa zieht eine Mitzwa nach sich, und eine Sünde zieht eine Sünde nach sich. Die Belohnung für eine Mitzwa ist eine weitere Mitzwa, und die Bestrafung für eine Sünde ist eine weitere Sünde." Kap. 4, Mischna 2
Selbstverständlich gibt es eine Belohnung für Mitzwot, wie es in der Thora an verschiedenen Stellen geschrieben steht:
„Und du sollst tun, was recht und gut in den Augen des Ewigen ist, auf dass es dir wohlgehe und du hinkommst und einnehmest das schöne Land …“ (Dwarim, Kap. 6, 18)
„Den Segen, so ihr gehorchet den Geboten des Ewigen eures G’ttes, die ich euch gebiete; …“ (Dwarim, Kap. 11, 27)
Manchmal wird die Belohnung in dieser Welt erfolgen, manchmal erscheint sie erst in der zukünftigen Welt: „Und du sollst wissen – Die Belohnung der Zaddikim wird in der Zukunft erfolgen.“ (Awot, 2, 16)
Trotzdem darf man eine Mitzwa nicht erfüllen, nur um dafür belohnt zu werden: „Seid nicht wie Sklaven, die der Lehrer benutzt, um einen Preis zu erhalten.“ (Awot 1, 3)
Die höchste Belohnung beim Ausführen von Mitzwot – liegt in der Mitzwa selbst. Die Befriedigung, die der Mensch aus der Mitzwa zieht, weil er auf diese Weise den Willen G’ttes erfüllt, ist seine größte Belohnung. Und umgekehrt: Das schlechte Gefühl, das einer Sünde folgt, anhaltende Gewissensbisse, Reuegefühle – sie sind die Strafe für die Sünde, wie es eine schlimmere nicht gibt.
„Der Mensch sage nicht: Ich erfülle die Mitzwot und beschäftige mich mit der Weisheit der Thora, um alle Segen zu erhalten, die in der Thora aufgeführt sind, oder damit ich ein Leben in der nächsten Welt habe. Er sage nicht, ich halte mich von Sünden fern, vor denen die Thora warnt, um von den Flüchen verschont zu bleiben, die in der Thora stehen, oder damit ich nicht aus dem Leben in der kommenden Welt ausgeschlossen werde. Es ist nicht angemessen, G’tt auf diese Weise zu dienen, denn wer so dient, tut es nur aus Furcht. Wer aber G’tt aus Liebe dient (was der richtige Weg ist), sich mit Thora und Mitzwot beschäftigt und sich auf den Wegen ihrer Weisheit bewegt, nicht um belohnt zu werden und nicht weil er sich vor Bestrafung fürchtet oder um sich einen Verdienst zu erwerben – sondern, der die Wahrheit sucht, weil es die Wahrheit ist, der wird am Ende Gutes erfahren.“ (Mischne Thora, Rambam, Hilchot Tschuwa, 10, 1-2).
Eine Geschichte von einem reichen und g’ttesfürchtigen Mann, der in der Stadt dafür bekannt war, sehr geizig zu sein und daher von allen Mitbürgern gehasst wurde.
Bei seinem Tod wollten die Bürger der Stadt nicht an seiner Beerdigung teilnehmen. Als der Stadtrabbiner davon erfuhr, gab er öffentlich bekannt, dass er an der Beerdigung teilnehmen werde und alle anderen darum bitte, ihn zu begleiten. Der Rabbiner war sehr alt, und pflegte normalerweise nicht zu Beerdigungen zu gehen, noch nicht einmal zu Beerdigungen von angesehenen Leuten. Die Leute wunderten sich sehr, erschienen aber zahlreich zur Beerdigung des geizigen Reichen. Bei der Trauerrede fragten sie ihren alten Rabbiner nach dem Grund seines Kommens. Der Rabbiner antwortete:
"Drei Mal kam der Reiche zu mir, damit ich über ihn urteile, und bei diesen drei Fällen erkannte ich, dass er ein echter Zaddik war. Ich werde euch von den drei Fällen erzählen, damit ihr selbst entscheiden könnt, ob es ihm gebührt, ehrenvoll bestattet zu werden. Der erste Fall trug sich folgendermaßen zu: Der Verwalter eines Krankenhauses ging in die Stadt, um für alle Patienten und Patientinnen Lebensmittel zu kaufen. Es war am Abend von Rosch Haschana, der von einem Schabbat gefolgt wurde, und er musste Lebensmittel für drei Tage kaufen, daher trug er einen großen Geldbetrag bei sich. Auf dem Weg zum Markt ging das Geldbündel verloren. Der Verwalter befürchtete, dass man ihn verdächtigen werde, er habe das Geld gestohlen, und verlor vor Angst das Bewusstsein. Er wurde zum Arzt geführt, dort erzählte er alles, wurde aber vor lauter Aufregung immer wieder ohnmächtig. Zufällig war der Reiche auch dort und hörte von der Begebenheit. Er ging hinein und sagte, er habe das Geld gefunden, er bitte aber, der Verwalter solle ihm Zeichen geben. Der Verwalter nannte ihm den genauen Betrag, welche Scheine in dem Bündel waren, und auf welche Weise es zusammengeknotet war. Der Reiche ging nach Hause und kam mit einem Geldbündel zurück, das genau so aussah, wie der Verwalter es beschrieben hatte. Sofort wachte der Verwalter aus seiner Ohnmacht auf und bedankte sich erleichtert bei dem Reichen. Die Begebenheit sprach sich in der Stadt herum, und auch der Mann, der das Geld tatsächlich gefunden hatte, hörte davon. Die gute Tat des Reichen erweckte in ihm Reuegefühle [erinnert euch: Eine Mitzwa zieht eine weitere Mitzwa nach sich]. Er begab sich zu dem Reichen und beichtete, dass er das Geld gefunden habe und es zurückgeben wolle. Aber der Reiche wollte das Geld nicht annehmen. Er sagte, er habe die Gelegenheit für eine Mitzwa bekommen, und sei nicht bereit, darauf zu verzichten. Der Finder wiederum argumentierte, dass er den Fund nicht behalten könne. Sie konnten sich nicht einigen und gingen zum Rabbiner [der die Geschichte erzählte] und dieser urteilte, dass man den Reichen nicht zwingen dürfe, die Mitzwa zu verlieren.
Beim zweiten Mal, als der Reiche vor den Rabbiner kam, trug sich folgendes zu: Ein Mann, der für seinen Lebensunterhalt nicht sorgen konnte, beschloss, in eine andere Stadt zu ziehen. Seine Frau jedoch hielt ihn zurück, denn wovon sollte sie in der Zwischenzeit leben? Der Mann war aber fest entschlossen in die andere Stadt zu gehen, denn er war zuversichtlich, dass er dort seinen Lebensunterhalt verdienen werde. Aus diesem Grund sagte er seiner Frau, um sie zu beruhigen, dass der besagte Reiche zugesagt hatte, ihr eine monatliche Unterstützung zukommen zu lassen, und dass der Ehemann alles zurückzahlen werde, sobald er zurück sei. Als die Frau das hörte, ließ sie ihren Mann gehen. Nach einem Monat ging die Frau zum Hause des Reichen, um ihre monatliche Unterstützung abzuholen. Der Reiche, der gar nichts von dieser „Vereinbarung“ wusste, benahm sich, als sei alles abgesprochen und gab der Frau das Geld. Und so verfuhr er jeden Monat. Nach zwei Jahren kehrte der Ehemann als wohlhabender Mann aus der anderen Stadt zurück zu seiner Frau. Die Frau erzählte ihm, wie der Reiche ehrenhaft sein Wort gehalten und sie finanziert hatte. Ihr Mann wunderte sich sehr und ging sofort zum Hause des Reichen, um sich zu bedanken und ihm das Geld zurückzugeben. Aber der Reiche wollte das Geld nicht haben. Da beide nicht nachgeben wollten, gingen sie zum Din-Thora bei dem Rabbiner. Und wieder urteilte der Rabbiner zugunsten des Reichen, er müsse das Geld nicht annehmen, damit er die Mitzwa nicht verliere.
Das dritte Mal kam ein armer Mann zu dem Reichen und bat ihn um einen Kredit von 10 Dinaren, da seine Frau gebären musste. Der Reiche forderte einen Bürgen. Darauf antwortete der Arme, er sei neu in der Stadt und kenne niemanden, nur G’tt könne für ihn bürgen. Sofort gab ihm der Reiche den geforderten Kredit. Nach einigen Tagen, als der Reiche, sein Geld in der Kasse nachzählte, waren es 10 Dinare mehr, von denen er nicht wusste, woher sie kamen. Er erinnerte sich an den Kredit, den er dem Armen gegeben hatte, und sagte sich: Das muss wohl das Geld sein, dass der Bürge zurückgegeben hat. Daraufhin löschte er den Namen des Armen aus seinem Schuldenbuch. Nach zwei Monaten kam der Arme, um das Geld zurückzugeben, aber der Reiche wollte ihn nicht empfangen. Beide beharrten auf ihrer Meinung. Auch in diesem Fall gab der Rabbiner dem Reichen Recht, der nicht auf die Mitzwa, die ihm in die Hände gefallen war, verzichten wollte."
"Nun" – beendete der Rabbiner seine Rede – "aus diesen Begebenheiten, von denen ich nur zufällig erfuhr, können wir schließen, dass der Mann sehr viele gute Taten vollbracht hat - und das im Geheimen! Die Mitzwa, die erfolgt ohne dass der Wohltäter bekannt wird, also die Mitzwa im Geheimen, ist nach dem Rambam die zweithöchste Form der Mitzwa. Der Reiche wurde also nur als Geizhals betrachtet, da man von seinen zahlreichen Mitzwot nichts wusste." Und so kam es, dass der Reiche zuletzt doch noch eine sehr ehrenvolle Beerdigung bekam.
(Ozar Hama’assiot, Reuwen Jakob Nana, Zweites Buch)