Der Geschmack von Schabbat
In einem kleinen Dorf in Russland wohnte ein gläubiger Jude namens Moschke. Unweit des Dorfes, auf seinen weitläufigen Ländereien, lebte der Gutsbesitzer. Moschke und der Gutsbesitzer standen in geschäftlichen Beziehungen zueinander und über die Jahre hinweg entwickelte sich zwischen den beiden eine Freundschaft und sie pflegten, einander zu besuchen.
So trug es sich zu, dass Moschke den Gutsbesitzer zum Schabbat-Abendessen zu sich nach Hause einlud. Moschkes Haus war sauber und aufgeräumt. In der Mitte des Raumes stand ein Tisch, der mit einer strahlend weißen Tischdecke bedeckt war, und darauf die Silberleuchter mit den brennenden Schabbatkerzen. Im Zimmer schwebte der Geist von „Schabbat Hamalka“, der Schabbatkönigin“ und ein Leuchten lag auf den Gesichtern aller Familienmitglieder.
Die Gastgeber und der Gast saßen gemeinsam am Tisch und es wurden herrliche Speisen aufgetragen: Gefillte Fisch, Hühnersuppe mit hausgemachten Nudeln, gebratenes Hähnchen, Kigel und allerlei Backwerk. Der Gast genoss das gute Essen und danach wurden Schabbatlieder gesungen.
Nach dem Mahl wandte sich der Gast an seine Gastgeber und sagte: „Ich danke euch sehr für das große Vergnügen, das ihr mir bereitet habt. Ich habe noch niemals so wohlschmeckende Speisen gegessen. Gestattet mir meinen besten Koch zu euch zu schicken, damit er lernt, die Köstlichkeiten zuzubereiten, die ich so sehr genoss?“
Moschke war einverstanden und so kam es, dass am nächsten Tag der Koch zu Moschke kam, um von seiner Frau das Kochen der Schabbatspeisen zu lernen.
Als der Koch ins Herrenhaus zurückkehrte, befahl ihm der Gutsherr, ein Mahl zuzubereiten, wie er es am Schabbatabend bei Moschke gegessen hatte. Der Koch bereitete die Speisen zu, wie er es gelernt hatte, und trug sie dem Gutsbesitzer auf. Dieser kostete von den Speisen und brach in Geschrei aus: „Was hast du gekocht? Was gibst du mir da zu essen?“
„Dies sind die Speisen, die ich bei Moschkes Frau gelernt habe“, antwortete der Koch.
Der Gutsherr sprang wütend vom Tisch auf und begab sich unverzüglich in Moschkes Haus. Zornig sagte er zu den Familienmitgliedern: „Ihr habt mich betrogen! Die Speisen, die mein Koch mir aufgetragen hat, hatten nicht den wunderbaren Geschmack, den ich bei euch am Schabbat gekostet habe!“
Da antwortete Moschke: „Mein Herr, beschwert Euch nicht bei dem Koch, denn wir brachten ihm das Kochen bei und er lernte gewissenhaft. Aber den Speisen fehlt es an einem ganz besonderen Gewürz, das Euer Koch ihnen nicht geben kann.“
„Und was ist das für ein Gewürz?“, fragte der Gutsbesitzer, „kann ich es nicht kaufen?“
Das Gewürz heißt „Schabbat“, erwiderte Moschke. „Der heilige Geist von Schabbat Hamalka, der Schabbatkönigin, er war es, der den Speisen ihren besonderen Geschmack gab, den Geschmack von Schabbat.“
Quelle: „Anthologia schel sipurej am lechagej Israel.“.
Erzählt von Zipora Rabin aus Weißrussland, so wie es ihr erzählt wurde und wie es ihr in Erinnerung geblieben war.
Aus dem Hebräischen übersetzt von Iris Elkabets-Rosen.