Die Zerstörung des Zweiten Tempels
Die Kinder sollen lernen, warum der Tempel zerstört wurde, welche Bedeutung Jerusalem für die jüdische Welt hat und warum der Tempel bis heute (2000 Jahre später) nicht wieder erbaut wurde.
- Stühle (so viele wie Teilnehmende)
- Ausgedruckte Verbote (siehe Materialien)
Teil 1
Der Madrich/die Madricha erzählt den Kindern, dass es einen Tag im Jahr gibt, nämlich Tischa BeAw, der an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem erinnert. An diesem Tag, dem 9. Aw, wurde der Tempel, der heiligste Ort des jüdischen Volkes, zerstört. Seitdem wird an diesem Tag getrauert und der Zerstörung gedacht. Der Madrich/die Madricha erzählt nun die Geschichte von Kamza und seinem Sohn Bar-Kamza. Diese Geschichte erklärt, warum der Tempel zerstört wurde:
Dies ist eine talmudische Erzählung aus dem Mischnatraktat Gittin. Sie dient zur Veranschaulichung des Konzeptes von grundlosem Hass. Die Erzählung beschreibt eine Gruppe von Thora-Gelehrten in der Zeit unmittelbar vor der zweiten Zerstörung des Tempels von Jerusalem im Jahre 70. Sie lautet wie folgt:
Es lebte ein reicher Mann in Jerusalem, der mit Kamza befreundet war, jedoch ein Feind von Bar-Kamza war. Er veranstaltete ein Fest zu dem er alle Freunde und auch Rabbiner einlud. Er schickte seinen Diener los, um seinen Freund Kamza zu seinem Fest einzuladen. Der Diener jedoch irrte sich und erschien stattdessen mit Bar-Kamza, den der reiche Mann als seinen Feind ansah. Als Bar-Kamza hörte, dass der reiche Mann ihn zum Fest einladen wollte, glaubte er, dass dieser ihre Feindschaft beenden wollte und zog sich daher seinen schönsten Kleider an, ging zum Fest und setzte sich unter die Gäste. Der Gastgeber sah Bar-Kamza und rief:‚ „Sie sind mein Feind, was tun Sie hier? Stehen Sie auf und gehen Sie!’ Bar-Kamza sagte: „Da ich schon hier bin, lassen Sie mich bleiben, ich werde auch für mein Essen und Trinken bezahlten.“ Der reiche Mann antwortete: „Nein!“ Bar-Kamza rief: „Ich werde die halben Kosten des Festes bezahlen!“ Wieder rief der reiche Mann: „‚Nein“ und Bar-Kamza sagte: „‚Ich werde die ganzen Kosten des Festes bezahlen.“ Der reiche Mann rief: „‚Nein!’ und packte Bar-Kamza, hob ihn von seinem Stuhl und warf ihn aus seinem Haus hinaus. Bar-Kamza dachte: „Da dort Rabbiner waren, die das Ganze mit angesehen haben und nicht protestiert haben, war ihnen meine Verlegenheit offensichtlich egal. Ich gehe jetzt zum römischen Kaiser Cäsar und werde mich rächen.“ Bar-Kamza ging zu ihm und erzählte ihm, dass die Juden sich gegen ihn erheben wollen, weil sie sich nicht länger von ihm beherrschen lassen wollen. Cäsar verlangte daraufhin einen Beweis dafür. Bar-Kamza schlug vor, dass er den Juden ein Opfertier schicken sollte. Würden die Juden es opfern, wäre das ein Zeichen, dass sie ihren Kaiser akzeptierten, würden sie es nicht opfern, hieße das, sie wollen den Kaiser nicht als ihr Oberhaupt.
Cäsar ließ durch Bar-Kamza den Juden einen gesunden, fehlerlosen Widder schicken. Auf dem Weg machte Bar-Kamza dem Tier eine kleine Verletzung an der Lippe. Das bedeutete, dass das Tier nach jüdischen Vorschriften nicht mehr geopfert werden durfte. Bar-Kamza kehrte mit dem Opfertier nach Jerusalem zurück und die bat die Rabbiner, es, für den Kaiser zu opfern. Diese untersuchten das Tier und fanden die Wunde und wollten es nicht opfern. Einige Rabbiner wollten die guten Beziehungen mit der römischen Kaiser nicht zerstören und wollten das Opfer bringen. Doch Rabbi Zacharia, der Sohn von Awkulos, protestierte: ‚Die Leute werden glauben, dass Tiere mit Verletzungen auf dem Altar geopfert werden dürfen!’ Die Rabbiner wollten Bar-Kamza töten, so dass er das Geschehene nicht dem Cäsar melden könnte. Doch wiederum protestierte Rabbi Zacharia: ‚Die Leute werden glauben, jemand, der Opfertiere verletzt, wird getötet!’
Also wurde das Opfer nicht gebracht und als Bar-Kamza dies dem Kaiser berichtete, wurde dieser so böse, dass er seine Soldaten unter der Führung von Titus zu den Juden schickte und ein großer Krieg begann. Die Juden versuchten sich mit aller Kraft zu wehren, aber die Römer waren stärker und näherten sich allmählich dem Tempel. Schließlich erreichten sie den Tempel und legten Feuer. Dies geschah am 9. Aw.
Anschließende Diskussionsfragen für die Kinder:
Wer hat Schuld an der Zerstörung des Tempels?
Mögliche Antworten sind:
- Der Reiche ist schuld, weil er Bar-Kamza beschämt hat
- Bar-Kamza ist schuld, weil er zum Cäsar ging und ihm Lügen erzählt hat
- Die Rabbiner sind schuld, weil sie Bar-Kamza auf dem Fest nicht geholfen haben
- Rabbi Zacharia ist schuld, weil er das Opfer abgelehnt hat
- Was wäre eine Möglichkeit gewesen die Situation zu verhindern?
- Fallen euch Beispiele aus eurem Alltag ein wo es ähnliche Konflikte / Streitpunkte gab?
Teil 2
In diesem Teil soll den Chanichim und Chanichot spielerisch die Werte Vertrauen und Zusammenhalt vermittelt werden.
Spiel:
Alle Kinder stehen auf einem Stuhl im Kreis. Ein Stuhl wird raus genommen und jedes Kind muss sehen, dass es nicht hinunterfällt. Ein Stuhl nach dem anderen wird weggenommen. Fällt eine Person hinunter oder ist schuld daran, dass ein anderes Kind hinunterfällt, scheidet sie aus. (Es muss darauf geachtete werden, dass die Kinder sich nicht verletzten, besonders bei jüngeren Kindern).
Spiel:
Die Kinder werden in zwei Gruppen geteilt. Jede Gruppe steht auf ihren Stühlen, die in einer Reihe an einem Ende des Raumes stehen. Die Aufgabe besteht darin, mit den Stühlen und ohne sie zu verlassen an das andere Ende des Raumes zu gelangen. Fällt jemand von der Gruppe vom Stuhl, muss die ganze Gruppe von vorne anfangen. Gewonnen hat die Gruppe, die als Erstes auf den Stühlen von einem Ende zum anderen des Raumes gelangt ist. (Es muss darauf geachtete werden, dass die Kinder sich nicht verletzten, besonders bei jüngeren Kindern. Als Alternative können auch Pappkartons genommen werden).
Anschließend werden die Chanichim befragt (es kann hilfreich sein wenn die Madricha oder der Madrich Beispiele einbringt):
- Wie habt ihr euch gefühlt als Partner*in in einer Gruppe?
- Habt ihr euch gegenseitig geholfen?
- Gab es schwierige Momente? Wenn ja, wann?
- War es angenehm, wenn ihr euch um einander gekümmert habt?
- Wie kommt es zu Hass und Feindschaft zwischen den Menschen?
- Was macht man, wenn Hass besteht? Wie kann man ihn zu Liebe umwandeln?
Den Kindern soll bei diesem Gespräch klar gemacht werden, dass der zweite Tempel durch grundlosen Hass zerstört wurde und nur durch gegenseitige Liebe und Hilfe der Tempel wiederaufgebaut werden kann.
Teil 3:
Nun sollen die Kinder noch etwas darüber lernen, wie der Trauertag Tischa BeAw begangen wird. Es wird erzählt, dass dieser Feiertag der traurigste Tag im Jahr ist. An diesem Tag ist das furchtbarste Unglück in der Geschichte des jüdischen Volkes geschehen: die Zerstörung beider Tempel. Es gibt einige Traditionen, die an diesem Tag eingehalten werden, zum einen wird gefastet, zum anderen wird nur schwaches Licht angestellt, denn helles Licht ist ein Zeichen für Freude. Man geht an diesem Tag in die Synagoge, sitzt aber am Boden oder auf sehr niedrigen Hockern und man singt die Gebete mit traurigen Melodien. Weiterhin ist es nicht erlaubt, sich zu waschen und Lederschuhe zu tragen. Um den Kindern all diese Regeln zu veranschaulichen, werden die beiliegenden Bilder gezeigt (siehe Materialien)
Abschlussgespräch:
Die Madricha /der Madrich erzählt noch eine kurze Anekdote:
Napoleon zog mit seinen Truppen in der Nacht durch eine Stadt. Plötzlich sahen sie ein schwaches Licht aus dem Fenster eines Hauses. Er trat ein und sah viele Menschen, Erwachsene und Kinder, die auf dem Fußboden saßen, in ihren Händen Bücher hielten und weinten. Napoleon fragte sie, warum sie weinten? Man antwortete ihm: „Unser Haus ist niedergebrannt!“ Napoleon wunderte sich, warum er davon nichts gehört hatte. Man erklärte ihm, dass dies vor 2000 Jahren passiert sei und gab ihm einen Spruch zu lesen: „Nur wer sich an die Vergangenheit erinnert, der kann die Gegenwart leben und sich der Zukunft sicher sein.
Erklärung dazu:
Am Anfang der Peulah haben wir gelernt, warum der Tempel zerstört wurde. Danach haben wir erfahren, wie wichtig dieser Ort für jüdische Menschen ist. Die Trauer und die Verbote an Tischa BeAw helfen uns, uns daran zu erinnern, wie wichtig es ist, das Ausmaß dieses Unglücks nicht zu vergessen. Und wir haben gelernt, dass Liebe und gegenseitige Hilfe zwischen den Menschen verhindern werden, dass ein solches Unglück sich wiederholt.