Einführung
Es ist kein Zufall, dass in der einen oder anderen Weise, buchstäblich jeder jüdische Mensch an Rosch Haschana und Jom Kippur teilnimmt. Denn die Bedeutsamkeit der Feiertage des hebräischen Monats Tischrej ist so tief, dass sie jede jüdische Seele berührt, ungeachtet des Wissens jedes Einzelnen oder seiner Verpflichtung gegenüber dem Judentum. Tischrej ist der gehaltvollste Monat des jüdischen Kalenders. Von Rosch Haschana, an dem die ,,Tage der Ehrfurcht’’ beginnen, über Jom Kippur, Sukkot und Simchat Torah, der Zeit unserer Freude, machen diese Feiertage den Ton aus, der das gesamte kommende Jahr bestimmt.
Was ist Rosch Haschana?
Rosch Haschana ist der Tag, an dem G’’tt die Erschaffung der Welt vollendet hat, indem Er Adam schuf, den ersten Menschen. Adams erste Tat war es, den Allmächtigen als König des Universums auszurufen. Er rief zu allen Kreaturen: ,,Kommt, lasst uns ehren, lasst uns niederbeugen und niederknien vor G’’tt, unserem Schöpfer’’. Jeden Rosch Haschana rufen auch wir das Königtum G’’ttes aus, und erneuern unsere Verpflichtung, Ihm gut zu dienen. So wie G’tt an dem ursprünglichen Rosch Haschana die Welt zum ersten Male schuf, so überdenkt und schätzt Er die Qualität unserer Beziehung zu Ihm neu ein, und ebenso erschafft Er die Welt erneut.
Das Buch des Lebens
Am ersten Abend von Rosch Haschana nach dem G’’ttesdiens sagen wir zueinander den traditionellen Segensspruch: ,,Mögest Du eingeschrieben und besiegelt sein für ein gutes Jahr’’. Unsere Weisen erklären, dass wir alle an Rosch Haschana vor G’’ttes Gericht stehen - so wie eine Schafherde vor ihrem Hirten. Wenn wir es wert sind, werden wir in das ,,Buch des Lebens’’ eingetragen. Zehn Tage später, an Jom Kippur, wird das Buch versiegelt. Durch Reue, Gebet und Wohltätigkeit, können wir den Beschluss abmildern, und G’’ttes Segen für Gesundheit, Wohlbefinden und Wohlstand für das kommenden Jahr verdienen.
Das Schofar
An beiden Tagen von Rosch Haschana, hören wir tagsüber den Klang von zumindest den ersten dreißig vorgeschriebenen Tönen des Schofarblasens. Der Schofar, ein Widderhorn, das älteste und seelenvollste aller Blasinstrumente, hat viele Bedeutungen. Darunter: Es verkündet die Krönung G’’ttes als König des Universums, es weckt uns auf, um Reue zu empfinden und zu G’’tt zurückzukehren, es erinnert uns an das Schofar, das am Berg Sinai gehört wurde, als wir die Gebote G’’ttes für alle Zeiten akzeptierten, es repräsentiert den einfachen, ursprünglichen Schrei aus der Tiefe der Seele, es nimmt den Ruf des Grossen Schofar vorweg, das G’’tt ertönen lassen wird, wenn der Maschiach kommt, der uns aus dem Exil in unser Heiliges Land führen wird.
Taschlich
Am ersten Tag von Rosch Haschana, nach dem Nachmittagsgebet, gehen wir an ein fließendes Gewässer, in dem Fische leben und sprechen das Taschlichgebet, in dem wir unsere Sünden wegwerfen. So wie Fische vom Wasser abhängig sind, so sind wir auf G’’ttes Fürsorge angewiesen. Und da sich Fischaugen niemals schließen, symbolisieren sie G’’ttes ununterbrochene Wachsamkeit über uns.
Speisen zu Rosch Haschana
Es ist üblich an Rosch Haschana Speisen zu essen, die Süße, Segen und Überfluss symbolisieren. Wir tauchen die Challa in Honig ein und danach, in der ersten Nacht, essen wir ein Stück Apfel, das ebenfalls in Honig getaucht wird. Nach dem Segensspruch über den Apfel fügen wir hinzu: ,,Möge es Dein Wille sein, für uns ein gutes und süßes Jahr zu erneuern’’. Andere Gebräuche sehen vor, dass man den Kopf eines Fisches isst, Granatäpfel und Karotten.
Die zehn Tage der Umkehr - Rückkehr zum Wesentlichen
Die ersten zehn Tage des Monats Tischrej, die zwei Tage von Rosch Haschana, die sieben folgenden und Jom Kippur, sind eine günstige Zeit während der wir unsere Fehler korrigieren können und gleichzeitig G’’tt näher kommen können. Daher sind sie auch als die ,,Zehn Tage der Umkehr’’ bekannt. Tschuwa – oft als Reue übersetzt bedeutet Rückkehr.
Das Judentum betont, dass unsere ursprüngliche Natur - der g’’ttliche Funken der Seele - gut ist. Echte Reue wird also nicht durch harte Selbstverdammung erreicht, sondern indem wir erkennen, dass unser tiefstes Bedürfnis es ist, Gutes zu tun, in Übereinstimmung mit dem Willen G’’ttes.
Schabbat Tschuwa
Die sieben Tage zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur sind eine Gelegenheit, Tschuwa zu tun, entsprechend jedes einzelnen Tages der Woche, das heißt am Montag können wir Korrekturen machen für alles, was wir an den Montagen im vergangenen Jahr getan haben etc. Der Schabbat wird Schabbat-Tschuwa genannt, nach der prophetischen Bezeichnung dieses Tages ,,Kehre um (Tschuwa), Oh Israel, denn Du bist gestrauchelt…’’
Das Fasten von Gedalja
Der Tag nach Rosch Haschana ist ein Fasttag. Von etwa drei Stunden vor Sonnenaufgang bis etwa vierzig Minuten nach Sonnenuntergang essen und trinken wir nichts. Der Tag erinnert uns an den tragischen Anschlag auf Gedalja, einen großen jüdischen Führer in der Zeit des babylonischen Exils.
Was ist Jom Kippur?
Ein ewiger Bund
Obwohl diese Tage der Ehrfurcht, wie sie oft genannt werden, ernste Tage sind, so sind sie doch nicht traurig. Tatsächlich ist Jom Kippur, in einer sehr bescheidenen Art, einer der fröhlichsten Tage des Jahres. Denn an Jom Kippur erhalten wir, was vielleicht G’’ttes größtes Geschenk ist: Seine Vergebung. Wenn eine Person einer anderen verzeiht, dann geschieht das aus einem Gefühl der Freundschaft und der Liebe, das alles, was falsch gemacht worden ist, überstrahlt. Ähnlich ist G’’ttes Vergebung ein Ausdruck Seiner ewigen, bedingungslosen Liebe. Obwohl wir Seinen Willen übertreten haben mögen, bleibt unser Wesentlichstes, unsere Seele, g’’ttlich und rein. Jom Kippur ist der Tag des Jahres, an dem uns G’’tt ganz deutlich offenbart, dass unsere und seine Essenz eins sind. Ja, mehr noch, auf der Ebene der Seele ist das jüdische Volk gänzlich gleich und unteilbar. Je mehr wir unsere besondere Einheit durch Taten der Liebe und Freundschaft untereinander unter Beweis stellen, umso mehr wird G’’ttes Liebe uns offenbart.
Der Abend von Jom Kippur
Am Vortag von Jom Kippur nehmen wir ein festliches Mahl zu uns, um Glauben und Vertrauen in G’’ttes Gnade zu demonstrieren. Eine andere wundervolle Gewohnheit ist es, dass Eltern ihre Kinder mit der priesterlichen Weihe segnen: ,,Möge G’’tt dich segnen und beschützen ...Möge G’’tt Sein Antlitz über dich scheinen lassen und dir wohlgesonnen sein ...Möge G’’tt dir Sein Angesicht zuwenden und dir Frieden schenken’’.
Jom Kippur sühnt die Sünden wider G’’tt, aber nicht das Fehlverhalten unter Menschen. Daher ist es am Vortag wichtig, sich zu entschuldigen und von seinen Verwandten und Freunden Vergebung zu erbitten und gekränkte Gefühle, die entstanden sein mögen, zu heilen.
Fünf Gebote
Zusätzlich zum Arbeitsverbot, wie am Schabbat, sind fünf weitere Tätigkeiten an Jom Kippur untersagt: Essen und Trinken, das Benutzen von Lotionen und Parfums, Geschlechtsverkehr, Waschungen (zum Vergnügen) und das Tragen von Lederschuhen.
Ein Tag des Gebets
An Jom Kippur sind wir von allen materiellen Belangen befreit und können diesen Tag ganz dem Gebet widmen. Wir beginnen das Abendgebet mit dem Gesang "Kol Nidre", das uns von jeglichen Schwüren befreit, die wir im kommenden Jahr begehen könnten. Während eines jeden Hauptgebetes an Jom Kippur, sprechen wir das ,,Vidui’’. Das Bekenntnis, in dem wir alle unsere Sünden, die wir begangen haben könnten, aufzählen, und in dem wir G’’tt um Verzeihung bitten.
Das Schlussgebet des Tages, wenn unser Urteil für das kommende Jahr besiegelt wird, wird ,,Neila’’ genannt. Neila ist das einzige Gebet während des ganzen Jahres, bei dem der Torah-Schrein von Anfang bis Ende offen bleibt. Das bezeichnet, dass die Tore des Gebetes im Himmel für uns zu dieser Zeit weit offen stehen. Neila findet seinen Höhepunkt im Schema Israel und anderen Versen, die gemeinsam gesprochen werden, sowie im letzten Schofarblasen.
Quelle:
Durch die Feiertage 5762
Herausgegeben von Rabbiner Zalman Gurevitch
Chabad