Schon in der Bibel, im Talmud und in den Midraschim wird die große Wertschätzung und die ungewöhnliche Zuneigung gegenüber Bäumen deutlich. In diesen literarischen Quellen wird ein ausdrückliches Verbot des Abholzens von Obstbäumen erwähnt. Die Bibel gestattete zwar in Notzeiten das Abholzen von Zierbäumen, aber : „Nur den Baum, von dem Du weißt, dass er kein Obstbaum ist, darfst Du abholzen, und Du darfst Bollwerke gegen die Stadt bauen, die Krieg gegen Dich führt, bis sie gebodigt ist.“
Dabei ging es den Verfassern der o.a. literarischen Quellen nicht nur um die Tatsache, dass die Bäume als Nahrungsspender unentbehrlich sind, sondern ein weiterer wichtiger Aspekt war die Schönheit der Bäume. Sie sahen die ganze Schöpfung als ein einziges Wunder, das Werk des Schöpfers, und schrieben: „Wer im Nissan hinausgeht und sieht, wie die Bäume knospen, der sagt: Gesegnet sei, der seine Welt an nichts mangeln ließ und gute Geschöpfe und gute Bäume zum Wohlgenuss der Menschen erschaffen hat“ (Bereschit Raba 43). Ein mit Früchten beladener Baum war nicht nur „gut zum Essen“, sondern auch „lieblich anzuschauen“. Für sie waren die Bäume wie Kinder, sozusagen wie Geschöpfe, die dem Leben nahe stehen. Wen wundert es also, dass es die Weisen schmerzte, wenn ein guter Baum abgeholzt wurde?
Die Weisen bemerkten auch, dass Gott selbst bei der Schöpfung einen Garten anlegte. Vom Anfang der Schöpfung an beschäftigte Gott sich nur mit dem Pflanzen, denn es heißt: „Es pflanzte Gott, der Ewige einen Garten in Eden. Und Ihr, wenn Ihr ins Land kommt, sollt Ihr Euch auch nur mit dem Pflanzen befassen, denn es heißt: wenn Ihr ins Land kommt und pflanzen werdet“ (Wajikra Raba 25).
Das besondere Verhältnis zum Baum rührt sicher auch von dessen Nutzen in sonnenreichen Regionen her, wo der Himmel fast das ganze Jahr wolkenlos ist und die Menschen den Schatten dringend benötigen. Im Schatten des Baumes, auch eines Zierbaumes, empfängt man die Wanderer, die des Weges kommen und „erlabt ihre Seelen mit Speis und Trank“. Schon Abraham hieß die drei Engel willkommen und bat sie „Ruht Euch aus unter dem Baum“ (Gen. 18,4). Oft finden wir in der Bibel und im Talmud, dass man sich im Schatten eines Baumes traf und beriet. Die Prophetin Deborah saß regelmäßig unter einer Palme, und die Kinder Israels stiegen zu ihr empor, um sich richten zu lassen. Weil sie ständig unter der Palme saß, erhielt diese den Namen „Tomer Deborah“ (Richter 4,5).
Viele Persönlichkeiten in unseren Quellen werden im direkten oder indirekten Zusammenhang mit Bäumen erwähnt. Von Abraham wird erzählt, dass er eine Tamariske in Beer-Schewa pflanzte und ihr den Namen Gottes gab. Im Zusammenhang mit dem Kauf der Höhle Machpela vergisst die Bibel nicht, die im Kauf eingeschlossenen Bäume zu erwähnen. Der Glaube an die Heiligkeit der Bäume, vor allem jener Bäume, unter deren Äste die sterblichen Überreste von Heiligen ruhen, ist bis heute stark verbreitet unter den Arabern Israels und der benachbarten Länder, und dank dieses Glaubens haben zahlreiche sehr alte Bäume im ganzen Land überlebt. Mit zum besonderen Verhältnis zu Bäumen gehört sicher auch der Brauch, Menschen und Orten nach Bäumen zu benennen: Rimon, Tamar, Dikla, Eschkol, Ilan, Hadassah, etc. Das besondere Verhältnis unserer Vorväter zum Baum zeigt sich auch in den noch heute bestehenden Bräuchen, wie das Ausschmücken der Synagoge zu Schawuot oder den Gesetzen des Etrog und des Lulaw für Sukkot.
DER OLIVENBAUM
In frühen Zeiten waren nicht alle Bäume gleich wichtig, sondern jedem einzelnen wurde ein besonderes Gewicht beigemessen. Der Olivenbaum genoss im Volk das höchste Ansehen und auch heute noch wird ihm eine besondere Verehrung entgegengebracht. Der Olivenbaum produziert Öl, mit dem der Ewige und Menschen verehrt wurden (Richter 9,9). Mit Olivenöl salbte man den Hohepriester, die Geräte des Heiligtums am Tag ihrer Einweihung und die Könige bei der Thronbesteigung. So war der Olivenbaum der am meisten verehrte Baum.
DER JOHANNISBROTBAUM UND DIE SYKOMORE
Im Gegensatz zum Olivenbaum waren der Johannisbrotbaum und die Sykomore von geringem Wert. Oft wurden sie sogar benutzt, um den Niedrigen und Leichtfertigen zu beschreiben. Im Bereschit Raba heißt es: „Glaubst Du, Eva wurde ihm unter irgendeinem Johannisbrotbaum oder unter einer Sykomore gebracht?“
DIE WEINREBE
Die Weinrebe folgt dem Olivenbaum an zweiter Stelle bezüglich ihrer Wichtigkeit. Auch die Traube wird für heilige Handlungen benutzt. Tatsächlich gibt es keinen freudigen Anlass ohne Wein, vor allem der Vollzug einer „Mizwah“. Jede religiöse Zeremonie, bei der es fröhlich zugeht, kennt zu Beginn und am Ende den Segensspruch über den Wein. Wein war sehr wertvoll in alten Zeiten und wurde für den Opferdienst im Tempel benutzt.
DER FEIGENBAUM
Die Feige hatte zwar wenig Anteil an der heiligen Arbeit, war aber in der Bevölkerung anerkannt, da sie eine süße Speise lieferte, die vor allem im Winter gefragt war, als der Appetit auf Süßspeisen am größten war. Auch finden wir die getrocknete Feige unter den wichtigsten Nahrungsmitteln in Bibel und Talmud erwähnt.
DER GRANATAPFELBAUM
Der Granatapfelbaum war in alten Zeiten nicht sehr häufig zu finden, da er nur in unmittelbarer Nähe einer Wasserquelle gut wächst. Die Krone am Stiel der Frucht dient heute wie in der Vergangenheit als Muster für viele Kronen, unter ihnen die der Torarollen.
DIE DATTELPALME
Auch dieser Baum wird in der Bibel nicht oft erwähnt, da er vor allem in der Ebene und in den Tälern wächst und in den Zeiten der Bibel lebte das Volk vor allem in den Bergen Judäas und Efraims. Im Gegensatz zur Bibel erwähnt der Talmud die Dattelpalme oft: In jener Zeit dehnte der Jischuw sich vor allem in der Ebene und im Tal aus. Die Dattelpalme wird auf verschiedene Weise genutzt. Die Dattel wird gegessen, seine Blätter (Lulaw) sind für die Lobpreisung, getrocknete Äste für das Dach, die Fasern für Seile und der Stumpf als Stützbalken für das Haus (Bereschit Raba 41)
ZIER- UND SCHMUCKBÄUME
Die Wirtschaftslage und Schwierigkeiten beim Verdienen des täglichen Brotes erlaubten dem Einzelnen nicht, sich mit Zierbäumen abzugeben, aber im Besitztum des Tempels und der Synagogen und auch in den Anwesen der Reichen wuchsen sicher Zierbäume. Dass die Zucht von Zierbäumen schon in alten Tagen gepflegt wurde, können wir Jesajah entnehmen. Wenn er von einer glücklichen Zukunft spricht, schildert er u.a. die Pracht des Tempels und die Zierbäume, die seine Höfe schmückten: „Die Herrlichkeit des Libanons kommt zu Dir, Tanne, Zypresse und Fichte zumal, zu schmücken den Ort meines Heiligtums“ (Jesajah 60,13). Besondere Wertschätzung bringt die Bibel den Bäumen des Libanons entgegen, vor allem der Zeder. Im Libanon, auf einer Höhe von fast 2000 Metern, existiert noch ein Zedernhain mit Bäumen, die 2000 Jahre alt oder noch älter sind.
Aus: „Tu Bischwat“ von Wolf Gafni und Jacques Ungar, KKL, Jerusalem 5757